Meridiankreis


Der Meridiankreis war von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eines der Hauptinstrumente für die winkelmessende Astronomie. Bereits 1704 von dem dänischen Astronomen Ole Römer gebaut, erfolgte die allgemeine Anerkennung der "rota meridiana" erst über 100 Jahre später.
1803 baute Johann Georg Repsold einen Meridiankreis für sein privates Observatorium auf der Albertusbastion, welcher bis 1811 ein einzigartiges astronomisches Instrument war und erst nach 1820 durch die Instrumente von Reichenbach übertroffen wurde. Nach der Besetzung Hamburgs durch die Franzosen wurden die Wallanlagen neu befestigt, und das Observatorium mußte abgerissen werden. Der 1812 auseinandergenommene Meridiankreis wurde von C.F. Gauß für 1300 Taler aufgekauft und 1818 in Göttingen aufgestellt.


Nach der Verlegung der Sternwarte nach Bergedorf wurde im Jahre 1909 ein Meridiankreis der Firma A.Repsold & Söhne von 2,3m Brennweite und 190mm Öffnung aufgestellt. Bei diesem Instrument wurden die verschiedenen Materialien besonders sorgfältig aufeinander abgestimmt. Die Gläser und die Metalle wurden so ausgesucht, daß bei veränderten Temperaturbedingungen das Ausdehnungsverhalten aller Materialien harmonierte. Für das Instrument wurde Nickelstahl und Eisen, für das Objektiv Borsilikatglas und Flintglas gewählt.




In den zwanziger und dreißiger Jahren wurde an einem Gemeinschaftsprojekt der Sternwarten Hamburg, Bonn und Pulkowo (bei St. Petersburg) gearbeitet. Es ging um die erneute Erstellung eines Kataloges (AGK2) mit aktuellen Sternpositionen, die sich aufgrund der Präzession der Erdachse und der Eigenbewegung der Sterne innerhalb der Milchstraße stets verändern. Dieses Projekt lief in Hamburg so erfolgreich, daß die Aufgaben der Sternwarte von Pulkowo zusätzlich übernommen werden konnten. Die Aufgabe des Meridiankreises bestand darin, exakte Positionen von Anhaltssternen zu bestimmen. Es wurden dann photographische Aufnahmen mit speziellen Weitwinkelkameras (Astrographen, insbes. mit einem speziell angefertigten AG-Astrographen) gemacht, die im Labor mit sehr genauen Meßmaschinen vermessen wurden.
Während im zweiten Weltkrieg der Beobachtungsbetrieb an den meisten Teleskopen der Sternwarte ruhte, arbeiteten der Meridiankreis und das alte Passageinstrument dagegen auf Hochtouren, die Luftwaffe mit Stern- und Planetenpositionen zur Navigation sowie natürlich der Zeit zu versorgen (für Görings Bomberflotte wurden die Daten sogar bis 1960 im voraus erstellt). Zusätzlich erhielt die Bergedorfer Sternwarte 1937 einen kleinen Meridiankreis von 1,5m Brennweite und 123mm Öffnung aus Wilhelmshaven (Repsold 1875).
Noch bevor im Jahr 1953 die letzten Bände des AGK2 erschienen waren, wurde an die Wiederholung des Projektes herangegangen, um Aussagen über die Eigenbewegung der Sterne machen zu können. Die Methode für den AGK3 war dieselbe. Die Meridiankreisbeobachtungen wurden von Washington aus koordiniert und neben Hamburg an verschiedenen europäischen Sternwarten durchgeführt. Die Auswertung der Photoplatten wurde in Bergedorf durchgeführt. Die Arbeiten an diesem Projekt dauerten bis zum Jahr 1964.
1967 wurde der Meridiankreis abgebaut, modernisiert und zur Vermessung der Südhalbkugel mit Hilfe der Volkswagen-Stiftung nach Perth in Australien verschifft. Dort wurde der FK4 (Fundamentalkatalog) um 25.000 südliche Sterne erweitert und die Ergebnisse (1969-1975) als "Perth-70" Katalog veröffentlicht. Es wurde weiter an den Katalogen Perth-80 und Perth-83 gearbeitet, bis der Betrieb des Meridiankreises schließlich 1987 eingestellt wurde.
Heutzutage sind diese Kataloge von dem HIPPARCOS Katalog bei weitem übertroffen. Die Satelliten gestützte Astrometrie machte die Meridiankreisbeobachtungen, die bis weit in das 20. Jahrhundert hinein die beste Möglichkeit zur Positionsbestimmung boten, bedeutungslos.
Nachdem die Hamburger Sternwarte die für eine Rückführung des Instrumentes nötigen Rückführungskosten nicht zur Verfügung stellen konnte, wurde es 1989 an das Deutsche Museum in München überführt und sollte in eine Dauerausstellung Astronomie einfließen. Nachdem die Ausstellung 1992 fertiggestellt wurde, fand sich jedoch kein Platz für das Hamburger Instrument, und es wanderte in das Depot, wo es heute noch liegt. Es wäre auch sehr aufwendig gewesen, den Repsold-Meridiankreis in einen ausstellungswürdigen Zustand zu bringen, da er im Laufe der Zeit mit einigen "modernen" Geräte-Ergänzungen modifiziert bzw. in seiner Grundsubstanz verändert wurde.
Geblieben ist das Gebäude, das Anfang der achziger Jahre aus der Bauunterhaltung herausgenommen wurde. Eine vollständige Sanierung ist außerordentlich kostspielig.


Auch das Mirenhäuschen steht heute noch verwunschen am Wegrand. Die direkte Blickverbindung zwischen Mirenhaus und Meridiankreisgebäude ist durch Bäume verstellt, nur im Winter kann man den Zusammenhang zwischen den beiden Gebäuden erkennen.


Text und Bilder von Jan-Uwe Ness, 21. Mai. 1999
Quelle: Sterne über Hamburg (Jochen Schramm) ISBN 3-9803192-6-1 und eigene Recherchen.