Hamburger Sternwarte - Forschung: Bp-Sterne
Auswirkungen von Wind, Magnetfeld und Rotation bei heißen
Sternen:
Bereits 1976 haben G.Michaud und Mitarbeiter
theoretisch beschrieben, wie solche Elementanreicherungen durch
Diffusion, also eher langsamen Driftbewegungen von Teilchen, entstehen
können. Bis auf die Anreicherung von Helium konnten alle Anreicherungen oder
Abreicherungen der verschiedenen Elemente erklärt werden. 1987 hat
S.Shore ein Modell für diese Sterne vorgeschlagen, das von einem
Windgebiet am Pol, einem sogenannten Jet, und einer Gasscheibe am magnetischen
Äquator ausgeht. Danach hätten aber alle Flecken genau am Pol sein müssen oder
Ring-, bzw. Bandförmige Strukturen haben müssen.
D.Groote und K.Hunger haben 1997 ein Modell
entworfen, das außer dem Magnetfeld auch die Rotation der Sterne
berücksichtigt.
Der Druck auf die verschiedenen Elemente ist sehr unterschiedlich (siehe oben). Elemente,
die im ultravioletten Spektralbereich (UV) sehr viele
Absorptionslinien haben, können dort viele Photonen absorbieren und damit stärker
beschleunigt werden. Anders sieht es bei Wasserstoff und Helium aus. Diese
beiden Elemente sind weitaus am häufigsten vetreten, empfangen aber den
weitaus geringsten Strahlungsdruck. Die anderen Elemente müssen daher (entsprechend dem 50fachen
ihres Eigengewichtes) 50 mal
mehr Energie aufnehmen, um Wasserstoff und Helium durch Stöße (nahes
Vorbeifliegen im elektrischen Feld) mit zu beschleunigen.
Dadurch wird die Windgeschwindigkeit herabgesetzt. Entfernen sich die Teilchen
vom Stern, nimmt die Dichte immer stärker ab, die Stöße werden seltener, und es
kommt zu einer Abkopplung von Wasserstoff und Helium, die nicht mehr die
Fluchtgeschwindigkeit erreichen. Sie werden durch die Schwerkraft abgebremst
und fallen wieder auf den Stern zurück.
(Hier sollte erwähnt werden, dass durch die starre Rotation des Magnetfeldes
außerhalb von ca. 2 Sternradien die Fliehkraft die Gravitation überwiegt, also ein
Zurückströmen nur innerhalb von 2 Sternradien möglich ist.)
Von dem Ballast befreit können
nun die anderen Elemente leicht zu hohen Geschwindigkeiten beschleunigt
werden. Die Mitnahme durch Kopplung funktioniert nähmlich nur solange, wie die
Geschwindigkeiten der Teilchen ähnlich sind. Ist der
Geschwindigkeitsunterschied zu groß (dies gilt insbesondere für herabfallende
Teilchen), wird die Kopplung vernachlässigbar.
Dabei verhalten sich Wasserstoff und Helium auch noch unterschiedlich.
Der Grund ist ihre unterschiedliche Masse. Ein Heliumatom ist 4 mal so schwer
wie ein Wasserstoffatom. Unterhalb von 27000°K sind die elektrischen
(Coulomb-)Kräfte für beide Atome gleich, da beide einfach ionisiert
sind. Dadurch koppelt Helium als erstes Element ab, d.h. es wird langsamer,
bleibt zurück und fällt schließlich wieder zurück auf den Stern. Diesen
Prozeß nennen wir Fraktionierung.
Bisher konnte trotz aller Bemühungen der genaue Grund für die Abkopplung nicht gefunden werden.
Rechnungen von Krtička et al. 2006, die die Kopplung im Wind untersuchten, ergaben keine Abkopplung, da die Kopplung von Helium an den Wasserstoff so stark ist, dass sich nur beide Elemente gemeinsam von den "Lokomotiven", die durch den Strahlungsdruck beschleunigten Metallionen, trennen können.
Allerdings beinhalten diese Rechnungen nicht den Einfluß von Magnetfeld und Rotation.
Das Magnetfeld könnte aber einen entscheidenden Einfluß auf die Anzahl der Stöße zwischen den Teilchen haben. Wenn man berücksichtigt, daß nur jedes 10. Teilchen ein Heliumion und nur jedes 100. Teilchen ein Metallion ist, wird sofort klar, daß die vielen Wasserstoffionen an die Metallionen durch die häufigen Stöße gekoppelt sind. Die Wasserstoffionen wiederum koppeln durch häufige Stöße mit den Heliumionen. Im ersten Fall wird das Metallion durch den Stoß mit einem Wasserstoffatom kaum abgebremst. Im zweiten Fall trifft aber ein Wasserstoffion auf das 4 mal schwerere Heliumion und kann daher nur einen kleineren Impuls übertragen.
Diese Kopplung hält aber noch nach den Berechnungen von Krtička.
Das könnte sich aber ändern, wenn ein Magnetfeld hinzukommt. Im Magnetfeld können sich die Ionen (elektrisch geladene Teilchen) nur frei entlang der Magnetfeldlinien bewegen. Senkrecht dazu würde das Ion um die Magnetfeldlinie kreisen, wobei der Radius von der Geschwindigkeit und Masse des Teilchens abhängt.
Im Falle einer zum Magnetfeld schrägen Bewegung würde sich das Teilchen spiralförmig entlang der Magnetfeldlinie bewegen (gyrieren). Die Hinzunahme eines Magnetfeldes würde also dazu führen, daß Bewegungen senkrecht zu den Magnetfeldlinien effektiv unterdrückt werden würden, insbesondere die der leichten Wasserstoffionen, die Radien mit den kleinsten Kreisen (verglichen mit Helium- und Metallionen) um die Magnetfeldlinien beschreiben würden. Damit fallen viele Stöße zwischen den Wasserstoffionen untereinander aber insbesondere auch mit den Heliumatomen weg. Ergibt sich eine größere Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Atomen, kann die Kopplung ganz aufgehoben werden und die Teilchen können zur Sternoberfläe zurückfallen.
Nimmt man jetzt noch den Einfluß der Rotation hinzu, dann ist die Kopplung dort am geringsten, wo die Gyration der Teilchen am kleinsten ist. Also insbesondere dort, wo der Einfluß des Magnetfeldes am geringsten ist. Dass ist das Gebiet, wo die Bewegungsrichtung der Teilchen ohne Magnetfeld die gleiche ist, wie mit Magnetfeld, siehe vorherige Web-Seite. Je mehr diese beiden Richtungen voneinander abweichen, um so stärker wird die Kopplung durch die induzierte Gyration und die Kopplung kann dann sogar stärker sein als im Fall ohne Magnetfeld.
Da alle anderen Elemente die Sternoberfläche verlassen, sammelt sich Helium im Laufe der Zeit bis zu sehr hohen Konzentrationen an. Dieses ist die zur Zeit plausibelste Erklärung für
die hohen Heliumanreicherungen in Flecken, die nicht direkt am Magnetpol
liegen müssen, sondern um bis zu 45° gegen die Rotationsrichtung verschoben sind.
In Abb. 5 ist dieser Effekt, der Verschiebung des Heliumflecks
gegenüber dem Magnetpol, in den Beobachtungsdaten zu sehen. Das Maximum der
Magnetfeldkurve (Beff in Kilogauss, nach oben aufgetragen, linkes Bild) liegt bei
Phase 0.73 (unterer Bildrand), während das Maximum des Heliumflecks
(Linienstärken zweier Heliumlinien) bei Phase 0.87 liegt (rechtes
Bild, die Verschiebung entspricht ungefähr 50°). Das Wind-Rotations-Modell
konnte bei einer Reihe von Sternen erfolgreich angewendet werden und die
gleichzeitige Modellierung von Magnetfeld und Heliumlinienstärken ergibt eine
gute Übereinstimmung, ähnlich wie in diesen Grafiken. Hier muß berücksichtigt
werden, dass die Sterne unterschiedliche Neigungswinkel der Magnetfeldachse haben
und auch die Rotationsachse unter unterschiedlichen Neigungswinkeln gesehen
wird.

Abbildung 5:Modellkurven im Vergleich zu den
Beobachtungsdaten. Linkes Bild: Magnetfelddaten, rechtes Bild:
Helium-Linienstärken aufgetragen über der Phase (Rotationsperiode) des
Sterns.
Das zu Abb. 5 gehörende Oberflächenmodell ist in Abb. 6 zu sehen.
Die Rotationsachse zeigt nach oben (etwas zum Beobachter geneigt), die
magnetische Achse des negativen Magnetpols nach links unten, bzw. rechts
unten im linken und mittleren Bild. Im rechten Bild ist der positive
Magnetpol mit dem großen roten Fleck zu sehen, der zum größten Teil aus Helium
besteht, während in den hellblauen Polkappen die Häufigkeit eher normal sein sollte.
Auch dieses Modell liegt als Animation vor (5.2
MB!). Es kann aber auch als ZIP-file (780k)
download. oder gzip-file (780k) download geladen werden.
Abbildung 6:Modell eines
Heliumsterns zu drei verschiedenen Phasen (0.05, 0.30, 0.80), das die Kurven
aus Abb. 5 erzeugt. Die Heliumflecken sind rot, die Wasserstoffkappen
blau dargestellt, die Rotationsachse zeigt nach oben. Die
Heliumflecken sind nicht nur verschieden groß. Der kleinere
wandert auch nur am unteren Rand der Sternscheibe entlang,
wodurch das kleinere Nebenmaximum zur Phase 0.35 in Abb. 5 (rechts) entsteht.
Bei Sternen unterhalb von 18000°K beobachtet man heliumarme Flecken
oder Bänder, d.h. dass ihre Heliumlinien schwächer sind als die von
normalen Sternen.
Die Vorstellung ist hier, dass der Strahlungsantrieb des Windes so schwach
geworden ist, dass auch Wasserstoff nicht mehr genügend lange angekoppelt
bleibt und daher auf den Stern zurückfällt. Dadurch würde sich Wasserstoff
anreichern und der Stern heliumarm (eigentlich wasserstoffreich)
erscheinen.
K. Hunger und D. Groote haben 1999 mit Hilfe der
theoretischen Arbeiten von J.Babel (1995) und
ihrer Erweiterung für Helium gezeigt (siehe Abb. 7), dass die
Übereinstimmung theoretischer Vorhersagen über die (Ab-)Kopplung von
Wasserstoff (Babel, gestrichelte Kurven) und Helium (Hunger & Groote,
durchgezogene Kurven) sehr gut mit den Beobachtungen von heliumreichen
(Kreise) und heliumarmen Sternen (Dreiecke) übereinstimmen. Oberhalb der
Kurven mit der Zahl 1.00 (d.h. 100%ige Ankopplung) sollte es keine
heliumreichen, bzw. heliumarmen Sterne geben. Die Ankopplung nimmt mit
zunehmender Schwerkraft ab. Sterne mit geringerer Schwerkraft (im Diagramm
oben) können leichter einen homogenen Wind entwickeln.
Abbildung 7: Temperatur-Schwerkraft-Diagramm der
heliumvariablen B-Sterne. Eingezeichnet sind theoretische
Kurven, die die obere Grenze für homogenen Wind (1.00) und die Kopplung von
Wasserstoff, bzw. Helium wiedergeben. Sie geben an, bei
welcher Schwerebeschleunigung des Sterns der Wind, abhängig vom
Strahlungsdruck, diesen noch homogen, also mit Wasserstoff und Helium
verlassen kann. Die Schwerebeschleunigung ist logarithmisch dargestellt.
Hier muß noch bemerkt werden, dass auch die Diffusionstheorie (siehe oben)
He-arme Sterne erklären kann. Diffusion ist aber nur in stabilen
Sternatmosphären möglich. Das Auftreten von Wind würde Diffusionsprozesse
zerstören. Daher weisen heliumarme Gebiete am Magnetpol auf Fraktionierung
im Wind, während heliumarme Gebiete am magnetischen Äquator auf
Diffusionsprozesse deuten. Tatsächlich zeigt die Anwendung des
Wind-Rotationsmodells auf He-reiche und He-arme Sterne, dass offenbar beide
Prozesse zu beobachten sind.
Daraus kann man schlußfolgern, dass beide Erklärungsversuche zutreffend sind.
Fraktionierung im Wind ist an den Magnetpolen bei
allen B-Sternen zu erwarten. Diffusionsprozesse werden bei Sternen
unterhalb von ~20000°K zunächst nur am magnetischen Äquator erwartet und
gewinnen bei kühleren Sternen, mit der Abnahme des Windes, an Bedeutung.
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